Freitag, 1. Juni 2018

Zweigeteilt


Donnerstag, 31.05.2018     Podelwitz – Dresden    95 KM      Gesamt: 1.180 KM

Sehr gut habe ich geschlafen im Schlösschen, das Gespenst hat Ruhe gegeben, gut so. Nach dem wieder einmal sehr ausgiebigen Frühstück bin ich um 8:30h auf dem Radweg.
Heute ist so ein besonderer Tag der Tour, das Wetter ist herrlich, die Laune ist gut und die Strecke grandios, nur die Oberschenkel sind ausgepowert. Gut, dass es zumindest flach beginnt. Es ist um 9 Uhr schon recht warm, das wird wohl gegen Mittag in Richtung Dresden eine Hitzeschlacht werden. 
Ich fahre entlang der Freiberger Mulde, einem sehr schönen Flüsschen, das in Moldau in Tschechien seine Quelle hat und durch Sachsen fließt. Thüringen ist nach dem Thüringer Wald und der dort typischen Architektur, geprägt von den drei großen Städten Erfurt, Jena und Gera und dazwischen liegen die Dörfer im 60iger-Jahre-Style.
In Sachsen durchfahre ich bisher viele kleine Städte, die sehr schön herausgeputzt sind, oft mit einem schönen Marktplatz oder auch gerne mal mit einem Schlösschen oder einer Burg. Die Leute machen einen zufriedenen Eindruck, sind gut gelaunt, viele junge Familien sind zu sehen. In Verbindung mit dem Genuss der herrlichen Flusslandschaft bin auch ich bestens gelaunt. Sachsen ich mag dich.
Nur das mit der Sprache, da wurdet ihr schlecht beraten. Während in Thüringen ein ostdeutscher Akzent herauszuhören ist, ist das hier in Sachsen etwas ganz Eigenes. Um überhaupt irgendetwas zu verstehen isch höggschde Disziplin erforderlich.
Heute fahre ich sehr entspannt, langsam, laufe durch die Gässchen der Städte, genieße den Radweg und schone meine Kräfte. Das Zimmer etwas außerhalb von Dresden in der Radeberger Vorstadt ist gebucht, Gewitter sind keine angesagt, also gibt es keinen Grund für Eile.
Als ich in Nossens ankomme und den Mulderadweg verlassen muss, habe ich die Hälfte der Tageskilometer hinter mir und es ist trotzdem erst kurz nach zwölf. Zeit ist eben relativ. Heute war bei mir die Zeit bisher vollkommen nebensächlich, sie verstreicht langsam und gemächlich, die Empfindungen des Reisenden sind wohl anders.
Im ehemaligen Kloster in Nossens, welches gerade restauriert wird und künftig als Touristenanziehungspunkt fungieren soll, mache ich eine längere Pause und bereite mich in der Stille auf die nächsten 45 Kilometer nach Dresden vor.
Anstatt 100 Meter zurück zu fahren auf den Radweg, entschließe ich mich durch den Ort zu fahren um nach dem Ortsausgang wieder auf meine Route zu treffen. Ein Fehler. Das Zentrum wurde versehentlich auf einen Berg gebaut. Die erste heftige Steigung heute und ich merke wie viel Kraft mich das kostet. Auf dem Radweg hätte ich flach in 10 Minuten die Ortschaft umrunden können. Eine halbe Stunde später treffe ich schwer atmend und schwitzend auf den Radweg.
Das war der Anfang der Berg und Tal Fahrt die nun folgen wird. Keine schönen Städtchen folgen, sondern wie in Thüringen wechseln sich die kleinen Dörfer ab. Eins oben, eins unten. Die Wege sind teils geteert, teils gepflastert, teils geschottert. Ein weiterer Härtetest für mein geschundenes Fahrrad. Fahren kann man das oft nicht nennen, das ist eher ein durch die Gegend hüpfen.
Nach einer Ortsdurchfahrt führt die Landstraße so steil nach oben, dass ich absteigen muss und schieben. Ein paar Bäume sind am Straßenrand (ich belasse es mal bei dem Ausdruck „Straße“). Auf den schattigen Passagen werde ich von den Mücken angefallen, auf den sonnigen Abschnitten, reflektiert der Asphalt die Sonnenstrahlen, so dass es mindestens 40 Grad heiß ist. Die Mücken anzuschreien zeigt keinerlei Wirkung, haben die überhaupt Ohren? Auch das in rauen Mengen aufgetragene Autan ist wirkungslos.
Ist das nun die Grenze, an die ich stoße? Nein, aber ich bin verdammt nah dran und das war nicht der letzte Abschnitt, bei dem ich schieben muss. Es brennen nun nicht nur die Oberschenkel, sondern auch die Oberarme. Quälend langsam komme ich voran, die Hitze treibt mir den Schweiß aus den Poren. Ständig halte ich an und trinke, ich denke, dass das Wasser gar nicht im Magen ankommt, es drückt sich sofort wieder aus der Haut.
Ich aktualisiere die Route, noch 6 Kilometer, dann eine steile Abfahrt und es geht die letzten 20 Kilometer flach nach Dresden. Sechstausend Meter. Immer wieder denke ich, dass ich oben bin, das muss doch der letzte Berg sein, aber nein, ich bin doch erst zwei Kilometer weiter, wieder geht es abwärts, um dann wieder anzusteigen.
Die Abfahrten kann ich nicht genießen, weil ich weiß es geht auf der anderen Seite wieder hoch. Noch viertausend Meter. Meine letzte Wasserflasche ist fast leer, 4 Liter Wasser sind zu wenig gewesen für heute.
Noch dreitausend Meter. Der Asphalt flimmert, könnte mir doch wenigstens eine Fata Morgana erscheinen, eine Oase mit Palmen und einem kühlen Teich.
Noch zweitausend Meter. Geht es gerade steil nach oben, eben, oder nach unten, wie weit bin ich gekommen, seit ich das letzte Mal auf die Uhr schaute? So richtig mit bekomme ich das nicht mehr. Alles ist nur noch anstrengend.
Noch eintausend Meter. Und da kommt sie ,die letzte steile Abfahrt, denke ich, freue mich, ich habe es geschafft. Doch schnell merke ich, nein das ist sie nicht, das ist nicht steil genug. Eine Kreuzung kommt, der Pfeil des Radweges zeigt in Richtung des rechten Weges, der steil nach oben ragt. Auf einem Schild steht: 14% Steigung auf 650 Meter.
Das bedeutet ich muss über einen halben Kilometer das schwere Rad nach oben schieben.
Gefühllos schaue ich das Schild an, kein Entsetzen, kein Wutausbruch, keine Verzweiflung. Den letzten Schluck Wasser leere ich über meinen Kopf und gehe los. Ich schaue weder nach rechts noch nach links, den Blick nach vorne gerichtet gehe ich immer weiter.
Der Hitze, dem Ziehen in den Oberschenkeln, den Waden und den Armen schenke ich keine Beachtung. Ich mache keine Pause, halte nicht an, ich schiebe das Rad diese 650 Meter den Berg hoch.
Keine Ahnung wie lange das dauerte. Oben angekommen steige ich auf und fahre weiter, kein Glücksgefühl, kein Triumphschrei, kein Blick zurück. Nein, meine lieben Freunde des Ostens, da müsst ihr schon etwas mehr aufbieten, um einen Reddinga Bu zu beeindrucken.
Nach einem Stück auf der Hochebene kommt nun tatsächlich die letzte steile Abfahrt. Leider mal wieder auf einer gepflasterten Straße. Es ist nochmals absolute Konzentration erforderlich um da heil runter zu kommen, doch dann stehe ich da und betrachte die Elbe, die mich nun die nächsten Tage begleiten wird.
Nun schaue ich zurück auf die Berge, herrlich sehen sie von hier unten aus, ihr habt mir sehr viel abverlangt, habt eure Arbeit gut gemacht, doch nun Tschüss, ihr dürft die nächsten Radler beglücken, mich seht ihr so schnell nicht mehr.
Urplötzlich erscheint ein Biergarten vor mir. Ist das nun doch eine Fata Morgana? Nein, der halbe Liter Apfelschorle mit extra Eiswürfeln, der Kaffee und das Stückchen Käsekuchen sind tatsächlich echt und es schmeckt Weltklasse.
Es ist noch relativ früh und ich habe ja immer noch 20 Kilometer vor mir, die ich aber ganz langsam angehe.
Die Einfahrt nach Dresden ist schon überwältigend, Semperoper, Frauenkirche, Zwinger, alle stehen bereit, um einen mit voller Wucht zu begrüßen. Mein Hotel ist etwas außerhalb, die Stadt erkunden werde ich morgen, für heute ist genug getan. 
Ach nein, ich muss ja noch meine Wäsche waschen.










2 Kommentare:

  1. Hey Thomas du verrückter Hund :)
    haben heute von deiner Tour erfahren und gleich mal reingelesen. Klasse Berichte.
    Macht Lust und Laune, zumindest die Etappen bei denen alles glatt läuft ;)
    Wünschen dir noch gutes Sitzfleisch, Wetter und Durchhaltevermögen. Weiter so!!!!
    Liebe Grüße aus der Heimat
    Matthias und Nicole

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    1. Vielen Dank, echt schade dass ich deine Feier verpasse

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