Sonntag, 13. Mai 2018

es geht los

Sonntag, 13.05.2018    Rettigheim - Stuttgart - 105 KM

Ich wache um sechs Uhr auf, bin nervös und aufgeregt, habe schlecht geschlafen, soll ich aufstehen? Nein, ich bleibe lieber noch ne Stunde liegen, in meinem Bett, die letzten Minuten in meinem eigenen Bett für eine lange Zeit. Nachdem ich dann doch aufgestanden bin, habe ich meine bis ins Detail optimiert gepackte Satteltasche wild durchwühlt, weil ich dachte ich hätte eine Hose vergessen, die aber letztendlich natürlich doch dabei war.

Und endlich, 9 Uhr…. ich steige aufs Rad... fahre los…winke zum Abschied - bin auf dem Weg. Ich kann das immer noch nicht recht erfassen was da passiert. Die ersten 4 Kilometer gehe ich in Gedanken mein Gepäck durch, immer wieder, was habe ich bloß vergessen? Dann kommt die Baustelle an der Bundesstraße und ich muss eine Umleitung fahren. Da wird sogar heute am Sonntag gearbeitet und ich kann nicht heimlich über die Absperrung klettern. Mann Mann Mann, also Umweg, jetzt schon, ich merke, dass ich nicht sonderlich entspannt bin. Meine Gedanken schwirren wild umher. Sollte ich vielleicht mal im Büro anrufen, ob alles in Ordnung ist, Blödsinn, wahrscheinlich fragt der Chef gerade „was macht der Gramlich nochmal genau bei uns?“ und außerdem ist ja Sonntag, da wird selbst bei der Firma Spieß nicht gearbeitet, ist denn jetzt schon mein Zeitgefühl durcheinander?. Ein kläffender Hund, der im Anhänger eines vorbeifahrenden Mercedes sitzt, reißt mich aus meinen Gedanken.

Ich fahre an der Kronauer Allee entlang in Richtung Bruchsal. Da vorne sitzen zwei Streckenposten an der Kreuzung, ein Pulk Rennradfahrer kreuzt den Weg, ich dachte schon, ich muss schon wieder außenrum, aber ich darf durch. Zwei Kilometer weiter wieder Absperrband auf dem Weg, von der Seite kommen Läufer und sprinten die Allee entlang. Wenn ich ganz rechts fahre, darf ich weiter, Anfeuern erwünscht. Gesagt getan. Ich bekomme Lust mit zu laufen und erinnere mich an die Zeit, als ich noch gelaufen bin, Halbmarathon war meine Paradestrecke. An alles Mögliche denke ich, nur nicht ans radeln. Und wieder werde ich von einem bellenden Hund im Anhänger erschreckt. Deja vu. Von wem war das nochmal? Ach ja Spliff. Ich singe vor mich hin, schaue hoch und bin in Bruchsal. Jetzt gibt’s endlich einen Döner. Bruchsal ohne einen Döner bei Anadolu geht nicht, der schmeckte schon vor dreißig Jahren, als ich hier noch zur Schule ging. Doch leider hat er noch geschlossen, ist ja erst kurz nach 10. Oh, jetzt habe ich schon so viel geschrieben und ich bin erst eine Stunde gefahren, sorry das ist wohl das Wohlgefühl, dass ich im Moment habe, ich neige gerade dazu zu quasseln, passiert nicht so oft bei mir, versprochen.

Der nächste Stopp ist beim Kloster Maulbronn. Ob es der besondere Ort ist, oder daran liegt, dass ich nun die Hälfte der Strecke hinter mir habe, weiß ich nicht, aber ab hier werde ich ruhiger, beginne die Umgebung wahrzunehmen, rieche den Duft der Felder, höre die Vögel zwitschern. Ich setze mich auf eine Bank, an einem riesigen Baum und lasse die historische Umgebung auf mich wirken. Eine Frau kommt auf mich zu, begutachtet mein Rad und fragt mich ob ich Urlaub mit dem Rad mache, ich bejahe lächelnd das Offensichtliche und erzähle ihr von meiner Tour. Sie kommt gerade aus einem Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster und überlegt, ob so eine Radreise auch was für sie wäre, um sich der Meditation hinzugeben, allerdings muss man ja dann das ganze Gepäck auf dem Rad transportieren, nein also das ist nichts für sie. Mitleidig, oder eher angewidert schaut sie auf mein vollgepacktes Velo. Sie verabschiedet sich und wir wünschen uns eine gute Zeit. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man zur Entscheidungsfindung beitragen kann.



Weiter geht es in Richtung Vaihingen an der Enz. An einer Kreuzung, sind es links rum 25 Kilometer und rechts rum 16 nach Vaihingen. Ich entscheide mich für die kurze Variante und freue mich, dass ich in einer Stunde schon dort sein kann, fahre fröhlich den grünen Pfeilen nach. Nach ca. sechs oder sieben Kilometer kommt das nächste Schild mit Kilometerangaben, es müssten also noch knapp 10 sein, ne halbe Stunde. Doch weit gefehlt, 18 nach Vaihingen sind es plötzlich, irgendwie muss ich nun wieder auf der langen Route gelandet sein. Die Kunst ist es, in so einer Situation dann souverän und gelassen zu sein und sich auf die neue Situation ruhig einzustellen. Ich schaffe das in diesem Moment nicht. Also ich flippe total aus. Fluche wild durch das Schwabenland, so dass man bereits jetzt in Stuttgart merkt, dass heute ein Badner kommt. Nach einem Energyriegel bessert sich meine Laune wieder, diese Powerriegel sind wirkliche Glücksbringer und wirken schnell. Als ich dann nach gefühlten 5 Stunden in Vaihingen endlich ankomme, ist es doch schon etwas spät geworden. Wie geplant über Ludwigsburg nach Stuttgart zu fahren, möchte ich nun nicht mehr, sondern lieber direkt. Ich schaue mich auf dem Marktplatz um und sehe vor dem Rathaus eine Familie mit zwei Kindern auf den Bänken sitzen, schweigend, jeder mit Tablet oder Handy in der Hand und vertieft in die Geräte. Hier muss es also freies WLan geben. Ich setze mich schweigend dazu, logge mich ein, plane meine Route um und lade sie aufs Handy. Nach getaner Arbeit verabschiede ich mich wortlos von der Familie und radle weiter.

Noch 30 Kilometer. 25 davon verliefen schnell. Bereits etwas ausgepowert, freue ich mich auf das Ankommen in ca. 10 Minuten, 18 Uhr müsste es dann sein. Perfekt. Warum es dann letztendlich 19 Uhr geworden ist, darüber möchte ich jetzt eigentlich nicht mehr sprechen. Heftige Steigungen direkt vor Stuttgart, Verkehrschaos, Akkunotstand und vollkommene Orientierungslosigkeit bei der Baustelle am Bahnhof seien hier nur kurz erwähnt.

Sehr gemütlich sitze ich nun im Restaurant Rote Kapelle, nach dem Abendessen, mit einem Feierabendbier und erstelle diesen Bericht. Das Schreiben hilft gegen das Alleinesein am Abend, deswegen ist die Geschichte der ersten Etappe wohl auch so lange geworden. Ich hoffe, ihr bleibt trotzdem dran und lest auch die weiteren Storys der Reise, gute Nacht, heute werde ich wohl schlafen wie ein Stein.

4 Kommentare:

  1. Hallo Thomas,

    deine erster Tag hört sich sehr spannend an. Und es ist schön zu lesen das der erste Tag (so gut es geht) geklappt hat.

    Hier im Büro läuft alles nach Plan :-|
    Und nein wir fragen uns nicht "was macht der Gramlich nochmal genau bei uns?" :-)
    sonder wir fragen uns, "wo der Gramlich wohl gerade fährt?" "Oh da hat der Gramlich aber ein blödes Wetter erwischt?" oder wir sagen "hoffenlich klappt alles!"

    Verfahre dich bloß nicht nocheinmal nicht das du wieder zu Hause oder im Büro rauskommst.
    Solltest du dich verfahren ruf uns an wir schicken jemand zum abholen :->

    Liebe Grüße
    Saskia und Dennis
    P.S. Kann Dennis mal bitte kurz dein Locher bekommen? :-P

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    1. Viele Grüße ins Büro...Locher ja, aber der Tacker bleibt an seinem Platz...oh heute ist ja Dienstag :-)

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  2. Hallo Thomas,

    freut mich daß es bei dir gut losgegangen ist, ein paar Umwege machen die Strecken erst richtig interessant.

    Zu heiß war es ja auch nicht, also das richtige Radelwetter.

    Bin gespannt wie es bei dir weitergeht.

    Wie sagt man bei Euch? Rahmen und Speicherbruch oder so.

    Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Abenteuer

    Gruß Michael

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    1. Hallo Michael, vielen Dank, bisher ist alles glatt gelaufen, das Rad hält, das Wetter passt. Nur die Umwege. Ich arbeite noch daran sie als interessant wahrzunehmen :-)

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